Pneumologie 2003; 57(2): 98-100
DOI: 10.1055/s-2003-37154
Empfehlungen
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga zur Messung der inspiratorischen Muskelfunktion

Recommendations of the German Airway League (Deutsche Atemwegsliga) for the Determination of Inspiratory Muscle FunctionC.-P.  Criée1
  • 1Ev. Krankenhaus Gö.-Weende, Abteilung Pneumologie, Beatmungsmedizin/Schlaflabor, Bovenden-Lenglern
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Publication Date:
11 February 2003 (online)

Hintergrund

Die Ventilation der Lungen erfolgt durch die Atempumpe, die aus dem Atemzentrum, den abführenden Nerven und als Kernstück der Thoraxwand mit den Inspirationsmuskeln und dem knöchernen Thorax besteht. Die Inspirationsmuskeln haben die physiologischen Eigenschaften von Skelettmuskeln und sind daher auch ermüdbar. Unter Ermüdung wird der Funktionsverlust durch Überbeanspruchung verstanden. Die Ermüdbarkeit hängt von dem Verhältnis der aktuellen Beanspruchung (Last) zur maximalen Kraft (Kapazität) der Muskulatur ab. Bei den Extremitätenmuskeln tritt Ermüdung ein, wenn die Haltekraft mehr als 15 % der maximalen Haltekraft beträgt. Die Inspirationsmuskeln ermüden innerhalb weniger Minuten, wenn der bei jedem Atemzug entwickelte Inspirationsdruck 35 - 40 % des maximalen Inspirationsdrucks überschreitet (PI/PImax > 35 - 40 %). Könnte die Inspirationsmuskulatur ohne Ermüdung dauerhaft ihre Kapazität ausnutzen („Betrieb auf vollen Touren”), würde bei nahezu allen Erkrankungen die alveoläre Ventilation ausreichen, um zumindest das überschüssige Kohlendioxid zu eliminieren. Lediglich bei völlig destruierten Lungen, wie z. B. beim fortgeschrittenen ARDS ist eine normale Ventilation trotz maximaler Lungenbelüftung nicht mehr zu erreichen. Generell kommt es aber nur durch den ermüdungsbedingten Funktionsverlust der Inspirationsmuskeln infolge Überbeanspruchung zur unzureichenden alveolären Ventilation und damit zur Hyperkapnie (paCO2 > 45 mm Hg). Bei akut hoher Belastung mit rasch progredienter Ermüdung (z. B. akuter Asthmaanfall) resultiert ein myogenes Pumpversagen mit Tachypnoe begleitet von progredienter Hyperkapnie und schließlich Apnoe. Bei weniger progredienten Krankheitsverläufen mit chronischen Belastungen (z. B. neuromuskulären Erkrankungen, Kyphoskoliose, COPD) wird durch Feedback-Mechanismen der zum kompletten Pumpversagen führende Ermüdungsprozess aufgehalten, indem eine weitere Antriebssteigerung verhindert wird (zentralnervöse Anpassung an periphere Ermüdung). Hierdurch werden die Inspirationsmuskeln geschont, jedoch muss dafür eine unzureichende alveoläre Ventilation mit Hyperkapnie in Kauf genommen werden.

Mit Hilfe der Atemmuskelfunktionsdiagnostik sind folgende Fragen zu beantworten:

Liegt eine Einschränkung der maximalen Inspirationskraft vor? Liegt eine erhöhte Beanspruchung der Inspirationsmuskulatur vor?

Durch Beantwortung dieser beiden Fragen kann die Ursache einer manifesten Pumpinsuffizienz (Hyperkapnie) differenzialdiagnostisch geklärt und Risikopatienten für die Entwicklung einer ventilatorischen Insuffizienz identifiziert werden. Weiterhin eignet sich die Bestimmung der maximalen Inspirationskraft zur Verlaufsbeurteilung der Atemmuskelfunktion z. B. bei Kortisonmyopathie oder bei einer neuromuskulären Erkrankung sowie zur Verlaufsbeurteilung der Muskelschwäche bei Gewichtsabnahme (z. B. Lungenemphysem) oder bei der nicht-invasiven Beatmung.

Literatur

  • 1 Hautmann H, Hefele S, Schotten K. et al . Maximal inspiratory mouth pressures (PImax) in healthy subjects - What is the lower limit of normal?.  Respir Med. 2000;  94 689-693
  • 2 Windisch W, Hennings E, Sorichter S. et al . Peak- and plateau maximal inspiratory mouth pressures in healthy subjects at different lung volumes.  Eur Respir J. 2002;  20 Suppl. 38  498 s
  • 3 Winter M, Schmidt M. Normwerte für die Messung der inspiratorischen Munddrücke mit einem tragbaren Messgerät.  Atemw.-Lungenkrkh. 2002;  1 3-9
  • 4 ATS/ERS . Statement on Respiratory Muscle Testing.  Am J Respir Crit Care Med. 2002;  166 518-624

Prof. Dr. C.-P. Criée

Ev. Krankenhaus Gö.-Weende · Abt. Pneumologie, Beatmungsmedizin/Schlaflabor

37120 Bovenden-Lenglern

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